Achilles-Werk Wilhelmshaven-Langewerth

Im Januar 1948 schrieb Ernst Weikert nach seiner Flucht aus Ober-Politz von Haselünne aus an das Wiederaufbauamt der Stadtverwaltung Wilhelmshaven und bat um Errichtung einer Fahrrad- und Fahrradteilefabrik in Wilhelmshaven.
Im Vorfeld hatte er schon ein ideales Grundstück für die neue Fabrik ins Auge gefasst – die Massivbaracken der Marinevermittlung in Langewerth, die bis Kriegsende von Vermittlerinnen der Marinevermittlung genutzt wurden. Weikert hatte bereitwillige Mitgesellschafter für die neue Firmengesellschaft, die nach Genehmigung am 1.6.1948 handelsgerichtlich eingetragen wurde. Künftig firmierte die Gesellschaft unter dem Namen „Achilleswerke Weikert & Co. K. G.“.

Diese Seite beschreibt den Aufbau des Werkes und bietet am Ende eine Galerie mit Ansichten des Wilhelmshavener Werkes.

 

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Neubeginn in Langewerth, Erfolg und Niedergang

 

Ernst Weikert, Fabrikant von Fahrrädern und Fahrradteilen in Ober-Politz / Sudetenland, wurde nach dem zweiten Weltkrieg im tschechischen Konzentrationslager Böhmisch Leipa inhaftiert. Dort verbrachte er 18 Monate und wurde im Dezember 1946 mit der Bemerkung „Irrtümlich inhaftiert“ entlassen. Seine vier vom Krieg unversehrten Fabriken fielen mit vollen Lagern in den Besitz der tschechischen Regierung.  In diesen Fabriken waren erfolgreich über 100.000 Fahrräder und 20.000 Leichtmotorräder seit Ende des 19. Jahrhunderts produziert worden.

Ernst Weikert folgte nach der Entlassung seiner Familie nach Haselünne ins Emsland. Sein Wille war es, die Tradition der Achilles-Werke aufrecht zu halten.

Nachdem Weikert in Wetzlar und Bielefeld weder Wohn- noch Arbeitsräume gefunden hatte, suchte er sich für den Neubeginn die Stadt Wilhelmshaven aus, denn dort wurden nach Kriegsende händeringend Nachfolgebetriebe gesucht, um 13.000 ehemalige Werftangestellte und 15.000 Flüchtlinge in Brot und Arbeit zu stellen.

Im Januar 1948 schrieb er von Haselünne aus an das Wiederaufbauamt der Stadtverwaltung Wilhelmshaven und bat um Errichtung einer Fahrrad- und Fahrradteilefabrik in Wilhelmshaven.
Im Vorfeld hatte er schon ein ideales Grundstück für die neue Fabrik ins Auge gefasst – die Massivbaracken der Marinevermittlung in Langewerth, die bis Kriegsende von Vermittlerinnen der Marinevermittlung genutzt wurden. Weikert hatte bereitwillige Mitgesellschafter für die neue Firmengesellschaft, die nach Genehmigung am 1.6.1948 handelsgerichtlich eingetragen wurde. Künftig firmierte die Gesellschaft unter dem Namen „Achilleswerke Weikert & Co. K. G.“.
Das Achille-Werk war ein sogenannter Flüchtlingsbetrieb, die besonders durch Einrichtungsdarlehen gefördert wurden.

Übersicht der Herkunftsgebiete der in Wilhelmshaven unterbrachten Flüchtlinge, sowie Arbeitslosenquoten:
       
Quelle: Küstenmuseum Wilhelmshaven

Es gelang Weikert 12 der ehemaligen Achilles-Mitarbeiter, die seit Kriegsende in der ehemaligen Ostzone lebten, nach Wilhelmshaven zu holen, um mit ihrem umfangreichen Know-How einen Neuanfang zu wagen. Unter diesen Mitarbeitern waren unter anderem Karl Seliger, Fritz Lassig, Herbert Hrouda und Reinhold Lösel. Insgesamt betrug der Arbeitnehmeranteil an Flüchtlingen im Unternehmen 90 Prozent. Die meisten Flüchtlinge lebten auch in den Flüchtlingsbaracken in Langewerth. 1955 lag ihr Anteil immer noch bei 75 Prozent.

Belegschaft der Achilles- Werke West Weikert & Co. KG. und Achilles- Werke West GmbH

1948 1949 1950 1951
Beschäftigte 88 86 105 74
Davon Flüchtlinge 92% 92 %
1952 1953 1954 1955
Beschäftigte 60 123 261 385
Davon Flüchtlinge 75 %

Quelle: Küstenmuseum Wilhelmshaven

Fast übermenschliche Anstrengungen waren in vielen Monaten notwendig, um den Neuaufbau zu bewerkstelligen. Tag und Nacht, samstags und sonntags wurde gearbeitet. Ab August 1948 wurden dann erste Gepäckträger, Luftpumpen und Fahrradteile fertiggestellt.

Da keine Exzenterpressen gekauft werden konnten, improvisierte man und ließ die Gußkörper in der Gießerei Sande anfertigen. Drehteile wurden zum Teil im eigenen Hause oder auch beim Nordwestdeutschen Fahrzeugbau angefertigt. Mit dem Ziel wieder Fahrräder herstellen zu können, ging der Aufbau immer weiter.

Tragisches Feuer

Am 9. Dezember 1948 waren die ersten drei Fahrräder produziert worden und konnten verkauft werden. Die Freude darüber währte nicht lange, denn in derselben Nacht verursachte ein Kurzschluss einen Brand. Aufgrund des schwachen Wasserdrucks, der erst später vom Wasserwerk Feldhausen erhöht wurde, konnte die Feuerwehr nur noch ein Übergreifen des Feuers auf die anderen Baracken verhindern. Das Hauptgebäude wurde zu 80 Prozent ein Raub der Flammen.
Die Stadt Wilhelmshaven setzte sich für einen finanziellen Zuschuss ein und bewarb die Achilles-Werke beim Wilhelmshavener Landtagsabgeordneten Lange als einen der besten Betriebe der Stadt, der in Kürze ein Unternehmen mit rund 95 Mitarbeitern „aufgezogen“ hatte und schnell unverzichtbar war. Zudem würden alle Arbeitskräfte des Flüchtlingslagers Langewerth ohne Hilfe existenzlos werden.
Zusammen mit dem Arbeitsamt und dem Verwaltungsamt für Reichs- und Staatsvermögen hilft die Stadt beim Wiederaufbau.
Ernst Weikert schreibt am 23.12.1948 dem Amtmann Hofmeister zum Dank: „Es ist sehr schwer, sehr geehrter Herr Hofmeister, unseren Dank in Worte zu fassen. Wir sind die letzten Jahre durch zu tiefes Leid gegangen, um nicht die Größe der Hilfe ermessen zu können , die uns in Wilhelmshaven immer wieder den Weg bereitet. Es ist nicht Vermessenheit, sondern ein ehrliches aufrichtiges Gefühl, dass uns Sie als unseren fürsorglichen Freund bezeichnen lässt, der in nimmermüder Hilfsbereitschaft erst die Voraussetzungen schuf, dass sich unser junger Betrieb so verheißungsvoll entwickeln konnte“.

Bereits im Januar 1949 startete die Fahrrad-Produktion. Es erfolgten kurze Zeit später erste Auslieferungen an den Handel – der Name Achilles war vielen Händlern aus der Zeit vor 1945 noch ein Begriff für Qualität und Zuverlässigkeit. Um die Kapazitäten der Fertigung auszulasten, wurden auch Fahrräder unter anderem Namen mit alternativen Lackierungen angefertigt, und ab 1950 entstand ebenso ein Fahrrad mit Hilfsmotor. Der Fahrradhilfsmotor „Flink“ wurde vom nahegelegenen „Motorenwerk Varel GmbH“ bezogen.
Im Juni 1950 beteiligte sich Achilles mit einem Ausstellungsstand auf der Leistungsschau der Flüchtlingsbetriebe in der Helene-Lange-Schule in Wilhelmshaven (siehe Abb. links).

Ernst Weikert bemühte sich um den Ausbau des Betriebes und um Abnehmer für seine Fahrräder. So produzierte sein Werk auch Fahrradrahmen für andere Fabrikate wie „Traber“ und „Elbkrone“. Obwohl die Geschäfte gut angelaufen waren und die Mitarbeiterzahlen stiegen, blieben jedoch die Gewinne hinter den Erwartungen zurück. Der finanzielle Engpass führte 1950 zur Entlassung von Mitarbeitern. Das Werk stand 1951 auf der Kippe, bis Weikert mit der AMAG AG in Zürich, einem Automobil– und Motorenhersteller, der zur Holding des Großunternehmers Walter Haefner gehörte, im Oktober 1952 einen Lizenzvertrag zur Produktion eines Mopeds und eines Sportrollers abschließen konnte. Die Schweizer stellten Konstruktionspläne sowie Kredite zur Verfügung.

 

Neue Modelle und Umsatzsteigerungen

1953 startete die Motorroller- und Moped-Produktion in Langewerth. Damit startete die Erfolgsgeschichte des Motorrollers Achilles-Sport, und das Achilles-Werk erlebte seine besten, wenn auch viel zu kurzen Jahre. Im Jahr 1953 schließen Weikert und Haefner einen Gesellschaftsvertrag, wobei die Walter Haefner Holding A.G. 95 % der Anteile hält.

Umsätze der Achilles-Werke Weikert & Co. KG und Achilles-Werke West GmbH

Jahr 1948 1949 1950 1951
Umsätze in D-Mark 255.659,- 949.051,- 1.627.358,- 963.306,-
Jahr 1952 1953 1954
Umsätze in D-Mark 699.221,- 1.585.275,- 2.097.947,-

Quelle: Küstenmuseum Wilhelmshaven

Zur Erweiterung der Produktionskapazitäten wurde auf dem Werksgelände eine Zwischenhalle zur Fertigung gebaut, in der die künftige Presse stehen sollte, die zum Ziehen der Mopedrahmen benötigt wurde (siehe Abb. rechts).

Der Betrieb bildete ebenso aus und beschäftigte mehr als 70 Lehrlinge in Langewerth (siehe Abb. links). Zum 60-jährigen Firmenjubiläum schufen sie ihr Meisterstück und überreichten ihrem Chef Ernst Weikert eine maßstabsgetreue Nachbildung des Werksgeländes. Noch heute berichten viele der ehemaligen Lehrlinge vom seinerzeit guten Zusammenhalt.

Die steigende Nachfrage nach Automobilen führte allgemein zur Stagnierung im Zweiradmarkt und brachte das Achilles-Werk in eine finanzielle Schieflage, die dazu führte, dass der Betrieb im März 1958 geschlossen wurde.